Update

Rosanes viertelsternförmiges Gitter mit Puschelblumen

Wenn mein PC abstürzt und sich danach nicht mehr rührt, so wie jetzt, aus­ge­rech­net als ich end­lich mei­ne Steu­er­erklä­rung machen will, dann blei­be ich ganz ruhig. Ich habe ja Phi­lo. Den rufe ich an, der kommt inner­halb von zwei Tagen, hockt sich vor das Gerät und bleibt so lan­ge, bis es repa­riert ist. Wenn’s län­ger dau­ert, legt er sich zwi­schen­durch auf’s Sofa. Sei­ne lan­gen Bei­ne ragen dann einen hal­ben Meter über die Arm­leh­ne hin­aus, und er kann in die­ser Posi­ti­on erstaun­lich gut schla­fen.
Aber Phi­lo hat sein Han­dy aus­ge­schal­tet. Das ist noch nie pas­siert. Was ist los mit ihm? Ich hof­fe, er macht kei­ne digi­ta­le Diät. Ich weiß eigent­lich nicht viel über ihn. Ich habe ihn ken­nen­ge­lernt, als sein Lade­ka­bel den letz­ten Halt in der Jacken­ta­sche ver­lor und auf die Stra­ße fiel. Ich hob es auf und rief ihm nach. Er sah mich erst miss­trau­isch an, aber als er sein Kabel erkann­te, lächel­te er. “Dan­ke!” Er hol­te aus sei­nem Porte­mon­naie eine Visi­ten­kar­te und drück­te sie mir in die Hand. “Linux”, stand dar­auf, und eine Han­dy­num­mer. “Äh, heißt du so?” “Lei­der nicht”, mein­te er.
Als er dann das ers­te Mal da war, habe ich ihn nach sei­nem Namen gefragt. Er seufz­te. “Phi­lo. Mei­ne Eltern hat­ten ein Ren­de­vouz im Bota­ni­schen Gar­ten. Und unter dem Phi­lo­den­dron haben sie sich das ers­te Mal geküssst.” Er sah unglück­lich aus. “Da kannst du ja froh sein, mein­te ich, dass es nicht bei der Kame­lie war. Oder beim Bam­bus. Dann hät­ten sie dich womög­lich Bam­bi genannt.” Er sah mich erstaunt an. “Du hast es geschafft. Zum ers­ten Mal in mei­nem Leben bin ich für mei­nen Namen dank­bar.“
Das war unser ein­zi­ges rich­ti­ges Gespräch. Er macht mir einen beson­ders güns­ti­gen Preis, ich weiß aber nicht, ob wegen dem Kabel oder dem Namen­s­hin­weis. Die Visi­ten­kar­te habe ich noch. Auf der Rück­sei­te steht eine Adres­se. Ich beschlie­ße, hin­zu­fah­ren. Es ist eine klei­ne Stra­ße, Sack­gas­se, die Num­mer 37 ganz am Ende. Ein Wohn­haus aus roten Zie­gel­stei­nen. Auf einem Klin­gel­schild steht Linux. Ob das Phi­los Büro ist?
Ich kling­le und sofort ertönt ein Summ­ton, mit dem sich die Haus­tür öff­net. Im drit­ten Stock steht Phi­lo in der geöff­ne­ten Woh­nungs­tür, im Pyja­ma. Es scheint ihm aber nicht pein­lich zu sein. “Äh, Ent­schul­di­gung. Ich habe dich tele­fo­nisch nicht erreicht …” “Komm rein!” Ich fol­ge ihm in die Küche. Auf dem Tisch lie­gen Bücher, Haar­span­gen, zwei Schar­nie­re und eine Plas­tik­tü­te mit Reis. Eine Ker­ze brennt, dane­ben steht ein Kaf­fee­be­cher. Phi­lo nimmt ihn und trinkt. “Willst du auch einen?“
Ich schütt­le den Kopf, räus­pe­re mich. “Sor­ry, dass ich dich stö­re. Ich woll­te nur fra­gen, ob du mei­nen PC repa­rie­ren könn­test.” Phi­lo zuckt zusam­men und sieht trau­rig aus. Er nimmt die Reistü­te, hält sie vor­sich­tig wie ein Baby, kippt sie von einer Sei­te zur ande­ren. Der Reis rie­selt, etwas Schwar­zes kommt dar­un­ter zum Vor­schein. “Was­ser­scha­den. Es muss trock­nen”, sagt er. “24 Stun­den lang.” Er starrt betrübt auf die Tüte. “Dein Han­dy? Tut mir Leid.”

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