Millionärin

Gänseblümchen in pink und blau

“Du kannst bei uns im Gar­ten­haus woh­nen”, sagt Elli, als ich aus mei­ner Woh­nung raus muss, “es darf nur nicht auf­fal­len.” Zu dem vier­stö­cki­gen Haus, in dem sie mit ihrer WG wohnt, gehört ein gro­ßer Gar­ten, der aber kaum genutzt wird. Das Gar­ten­haus steht ganz hin­ten, links und rechts von Holun­der­bü­schen gestützt.
Es ist grö­ßer als ich gedacht habe: zwei Zim­mer hin­ter­ein­an­der, möbliert. Im ers­ten eine Kom­mo­de mit einer Koch­plat­te dar­auf, im zwei­ten ein Sofa, das sich aus­zie­hen lässt. An einer Wand hän­gen Gar­ten­ge­rä­te und unter der Decke getrock­ne­te Kräu­ter, die her­un­ter rie­seln, wenn die Tür ein biss­chen fes­ter zuschlägt. Unter dem Tisch wohnt ein Rasen­mä­her. Auf dem Boden ent­de­cke ich Mäu­se­köt­tel. Neben dem Fens­ter steht eine Hei­li­gen­sta­tue mit einem Spa­ten in der Hand. “Hat wahr­schein­lich der Gärt­ner hier rein­ge­stellt”, sagt Elli, als sie mei­nen Blick sieht, “der hat frü­her hier gewohnt.“
Es gibt Strom und Was­ser aus einem Gar­ten­schlauch, aber kei­ne Toi­let­te. “Komms­te ein­fach zu uns”, meint Elli, “die Leu­te im Haus kön­nen uns sowie­so nicht aus­ein­an­der hal­ten. Es ist sicher nicht erlaubt, hier zu woh­nen, des­halb ver­steckst du dich am bes­ten, wenn jemand kommt. Aber wahr­schein­lich kommt nie­mand. Den Gar­ten macht jetzt eine Fir­ma, und die haben ihre eige­nen Gerä­te.“
Ich nicke zu allem, ich bin froh, dass ich hier unter­kom­men kann. Wenn ich aufs Klo muss, set­ze ich eine Base­ball­kap­pe ver­kehrt her­um auf und grin­se frech, wenn ich jeman­den im Trep­pen­haus tref­fe. Und nach­dem ich fest­ge­stellt habe, dass die Hei­li­gen­sta­tue hohl ist, übe ich solan­ge, bis ich blitz­schnell in sie hin­ein schlüp­fen kann. Das ist das ers­te, was mir ein­fällt, als mei­ne Bera­te­rin im Job­cen­ter, Frau Fink, mich nach mei­nen Qua­li­fi­ka­tio­nen fragt: Ich kann mich gut verstecken.

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