Alltägliche Handlungen und die, für die sie nicht zum Alltag gehören (Aufzählung unvollständig):
1. Aufwachen
Leute im Koma; Zombies
2. Aufstehen
Beinlose; Bettlägrige; Prometheus und seine Schicksalsgenoss*innen in Foltergefängnissen und Psychiatrien; Leute, die zum Aufstehen Hilfe brauchen, an Tagen, an denen sie diese Hilfe nicht bekommen
3. Anziehen (bzw. das Nachtgewand ausziehen und etwas anderes anziehen)
Alle, die ihre Kleidung länger als einen Tag tragen, weil sie entweder nichts zum Wechseln haben, nicht die Unterstützung bekommen, die sie bräuchten oder ihr Interesse oder die Motivation, etwas anderes anzuziehen, zu gering sind
4. Sich waschen
Wer keinen Zugang zu Wasser oder anderen reinigenden Substanzen wie Sand hat, (zum Beispiel in Lagern und auf Krankenhaus-Stationen, die unterbesetzt sind); wer keine Lust zum Waschen hat; keine Notwendigkeit sieht bzw. riecht; keine Zeit dafür hat
5. Frühstücken
Die Menschen, die nicht frühstücken können, weil sie nichts zum Frühstücken haben oder weil ihnen niemand beim Frühstücken hilft; die, die nicht frühstücken wollen; die, die das Konzept “Frühstück” nicht kennen
Alltag ist etwas Persönliches. Wer “Alltag” und “alltäglich” für mehrere, viele, eine unüberschaubare Menge an Menschen sagt oder schreibt, verallgemeinert unzulässig.
Im eigenen Leben ist Alltag das, was immer gleich bleibt, alle Tage. Doch jeden Tag ist etwas anders: zum Beispiel Temperatur, Licht, Luftfeuchtigkeit, Mondphase, Menstruationsphase, Gerüche, Gefühle, Gedanken, Blutdruck, Hautwiderstand, Haarlänge, Mageninhalt, Inhalt des Kühlschranks, Inhalt des Mülleimers. Und laufend verändert sich alles, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten.
Wer dem Alltag entfliehen möchte, hat unendlich viele Möglichkeiten dazu; denn Alltag gibt es nur in dem Augenblick, in dem er erschaffen wird, von einem Sein, das das eigene Tun als alltäglich empfindet.