Lasst uns durch die Lappen gehen!

Verschiedene Sprossen sprießen

Für Anne

Eine Pfüt­ze in der Küche
Liegt in der Son­ne
Dehnt sich und streckt
Ein Bein aus, ein zwei­tes
Beult sich, zeigt ein brei­tes Maul,
Zwei Augen aus­ge­stülpt
Platsch: ein Hüpfer

Eine Krö­te in der Küche
Erdig braun und schwarz
Mit War­zen wie Wachol­der­bee­ren
Wan­dert gemäch­lich
Über den Rand der Spü­le
Wäh­rend ihre Meta­mor­pho­sen
Kro­ta, Krux, Örter, Rüt und Krä­te
Schon flink die Flie­sen erklim­men
Und garan­tiert nie wie­der
In die tra­di­tio­nel­len Fort­pflan­zungs­ge­wäs­ser
Zurück­keh­ren werden

Getüm­mel in der Küche
Die feuch­ten Wesen an der Wand
Ver­dre­hen den Koch­löf­feln die Köp­fe
Brin­gen Rosi­nen auf ande­re Ideen
Zie­hen Schleim­spu­ren, die glit­zern
Haben so lan­ge Zungen

Unru­he in der Küche
Der Haus­rat knarrt
Eine Schub­la­de geht auf
Es schep­pert im Besteck­kas­ten
Im blau­en Schäl­chen klackt es:
Die Wal­nüs­se sto­ßen ein­an­der an
Auf dem Spül­schwamm knis­tert
Die Schaum­kro­ne ein Will­kom­men
Die Küchen­rol­le stellt sich vor
Als Wahr­zei­chen der Woh­nung
Die klei­nen Löf­fel kichern

Annä­he­run­gen in der Küche
Krux kriecht in die Besteck­schub­la­de
Leckt alle Mes­ser ab
Kro­ta fin­det im Hefe­teig
Locke­re Ver­wandt­schaft
In der Spü­le sprießt
Grün und zart
Ein Zuhau­se für Rüt
Örter legt Eier in die Steck­do­se
Krä­te schleimt sich im Topf­hand­schuh ein

Brut­stät­ten in der Küche
Ein Wach­sen und Gedei­hen
Bil­lio­nen Ato­me vibrie­ren
Ange­regt von küch­li­cher Intel­li­genz
Der Hefe­teig geht auf
Quillt über den Schüs­sel­rand
Läuft den Heiz­kör­per hin­un­ter
Gäri­ger Geruch brei­tet sich aus
Wabert durch alle Rit­zen
Und dann
Ein Rüt­teln an der Küchentür

Erschüt­te­run­gen in der Küche
Vasen wackeln, Glä­ser klir­ren
Die Fas­sa­de der Küchen­schrän­ke erbebt
Und ihre Türen schwin­gen auf
Der Deckel rutscht vom Topf
Rollt ein Stück bevor er fällt
Uralter Staub
Löst sich von der Decken­lam­pe
Schwebt und glei­tet
Rie­selt auf den Tisch
Und dann geht’s los

Die Küchen­tür fliegt auf
Und her­ein stürmt
Ein deli­ka­ter Unfug
Aus Federn und Flau­sen
Mit Lust auf Eska­pa­den
Der eigent­lich kei­nen Anlass braucht
Aber jetzt ist er da

Der Toas­ter schnappt nach Luft
Die Rei­be, ganz auf Zack, macht sich bereit
Ein strub­be­li­ger Hand­fe­ger
Pur­zelt aus dem Kabuff
Die Spül­bürs­te stellt ihre Bors­ten auf

Und im Was­ser­hahn
Gibt etwas nach
Die Dich­tung bricht
Trop­fen fal­len
Immer schnel­ler
Plat­schen in die Spü­le
Wer­den Rhyth­mus für die Stüh­le
Ihre Bei­ne hüp­fen und klop­fen
Der Topf groovt mit
Sup­pe schwappt raus
Örter schlürft, wächst, reckt sich
Bis zum Kippschalter

Der Schna­bel der gestreif­ten Tee­kan­ne
Zeigt zum Fens­ter hin
Und Lieb­stöckl Open Air auf dem Bal­kon
Gibt eine Vor­stel­lung von
Out­door
Das Kehr­blech beginnt in der Son­ne
Zu glü­hen

Jetzt also? Jetzt?
Jetzt
Schal­tet sich die Dunst­ab­zugs­hau­be ein
Öff­net ihre Schleu­sen, saugt an
Und wer kann, fliegt mit
Exkur­si­on der Küche

Wei­te! Hori­zont!
Frei im Luft­strom end­los Gleit­zeit
Fliegt und dreht sich der grü­ne Tel­ler
Der Kar­tof­fel­stamp­fer mit offe­nen Poren
Die Sup­pen­kel­le und das Salat­be­steck
Genie­ßen die Perspektive

Die Küchen­rol­le weht meter­lang
Der Schnee­be­sen quirlt durch die Luft
Das Tablett segelt beflü­gelt
Oben­drauf hockt die Krö­te
Sonnt sich in der gol­de­nen Gelegenheit

Das Geschirr­tuch schlägt Wel­len im Luft­strom
Glei­tet neben der Rei­be auf gro­ßer Rei­se
Das Back­blech fern von Fett und Umluft
Streift im fri­schen Wind die Krus­ten ab
Und Gabeln win­ken mit glän­zen­den Zin­ken
Den Enten unten

Ande­re wol­len auch auf­bre­chen
Kommt, lasst uns durch die Lap­pen gehen
Eine rote Socke, der Wäsche­klam­mer ent­kom­men
Flat­tert im Auf­wind
Kof­fer konn­ten immer schon flie­gen
Besen ent­schwe­ben den Kel­lern
Bekeh­ren die Tep­pi­che
Die, steif vom lan­gen Lie­gen
Schwer­fäl­lig auf­stei­gen bevor sie glei­ten
Bett­be­zü­ge wehen wol­ken­gleich vor­über
Kis­sen trei­ben mit Leich­tig­keit
Und der Laub­sauger folgt den Blät­tern
In luf­ti­ge Höhen

Kro­ta, Krux, Örter, Rüt und Krä­te
Tru­deln durch die Luft
Schla­gen Bla­sen
Die sich selb­stän­dig machen
ein­an­der ergän­zen
Schnü­re zie­hen
Lan­ge Spu­ren las­sen
Sich auf­blä­hen und dann plat­zen
In einem Luft- und Lichtkonzert

Der Tat­zel­wurm auf dem Tro­cken­dock
Hebt das Haupt und staunt
Wäh­rend um ihn her­um
Ein Atmen beginnt
Stoff­wech­sel­kreis­läu­fe
Ver­net­zen sich
Durch die Gär­ten galop­pie­ren wil­de Pfer­de
Mär­chen spa­zie­ren in den Wald hin­ein
Kom­men nicht wie­der raus
Fre­che Vögel wol­len end­lich alles
Und nie wie­der Meisenknödel

Als sich der Tag zum Ende neigt
Keh­ren man­che um
Und man­che blei­ben
An den neu­en Orten
Die Krö­te glei­tet vom Tablett
Lan­det sanft
In einer Pfütze

Und wäh­rend Kro­ta, Krux, Örter, Rüt und Krä­te
Tief in der Nacht ein Zuhau­se fin­den
Ver­brei­ten sich ihre Nach­kom­men
In der Küche
Leben von Apfel­ker­nen, Hafer­kör­nern
Bröt­chen­brö­seln und Gesprä­chen
Mit schrä­gen Ideen
Ver­ste­cken sich in stau­bi­gen Ecken
Schmie­gen sich in Flie­sen­fu­gen
Win­zi­ge Tischrit­zen und
In die wei­chen Fal­ten
Der grie­chi­schen Geschirr­tü­cher
Wo sie schnur­ren, wis­pern, sum­men
Und manch­mal
Ins Schwär­men kom­men
Und in den Son­nen­strah­len tanzen