Heute kommt Rosetta. Meine Rosetta. ROSE und Tee Tee Ah!
Ich darf drei Kannen Tee am Tag, morgens, nachmittags, abends. Tee ist toll. Schwarzer Tee, Milch, viel Milch, Zucker, Zucker, nochmal Zucker. Ich liebe Tee. Ich liebe Rosetta.
Die Tür geht auf! Rosetta kommt. Ich laufe, winke, sie winkt zurück, geht ins Büro. Immer geht sie ins Büro. Sie stellt ihren Rucksack auf den Boden, hängt ihre Jacke an den Haken. Eine blaue Jacke hat sie. Ich ziehe sie gerne an. “Nein, Matilda”, sagt Rosetta und zieht mir die Jacke wieder aus.
Ich warte vorm Büro. Rosetta fragt Peter: “Was war heute los?”
“Helga war sehr unruhig morgens, sie haben ihr Tropfen gegeben. Der Hausmeister hat geflucht, als er das Klo entstopft hat. Da war ein Nagelknipser drin, und die Zahnspange von Robert.”
“Oh nein. Da ist sie also gelandet.”
“Achso, und die Brille von Maria ist verbogen. Da muss gleich jemand mit ihr zum Optiker, so kann sie die nicht mehr aufsetzen und ich glaube, ohne Brille sieht sie nicht mal mehr ihre Kaffeetasse.“
Brille. Maria. Die Brille von Maria hat zwei dicke Scheiben Glas, ganz glatt. Aber ich soll sie nicht streicheln. Ich hab eine Kette mit großen Gläsern, streichelglatt. Ich kann meine Kette Rosetta zeigen!
Ich gehe zu meinem Alleine-Zimmer. Der Schlüssel dreht sich im Schlüsselloch, er sagt: “Auf, auf”. Früher war mein Zimmer größer und wir hatten alle unsere Betten darin. Es gab keinen Schlüssel. Und keinen Tee, nur Kaffee. Wenn ich Tee wollte, wenn ich irgendetwas wollte, wurde ich aufs Bett gebunden, an Händen und Füßen. Manchmal lag einer auf mir drauf, ganz schwer und mit Stößen, so weh, es hat viele Schmerzen gemacht, verdammt.
Der Schrank hat auch weh getan, als er kaputt ging. Wie ich wütend war, weil mein Geburtstag nicht kam. Immer hieß es: noch nicht! Und ich dachte: jetzt muss doch mal Geburtstag sein! Ich warte schon so lange. Und da hab ich auf den Schrank draufgehauen. Der Schrank war schwach; er war nur Knäckebrot, aber dann hatte er Messer und ich hab geblutet und es tat weh. Blut tut immer weh. Und niemand hat mich getröstet, alle sind weit weg geblieben.
Jetzt habe ich einen neuen Schrank. An der Seite hängen meine Ketten und ich nehme die mit den Streichel-Gläsern. “Zu, zu”, sagt der Schlüssel. Ich laufe mit der Kette zu Rosetta.
Rosetta? Wo ist Rosetta?
“Sie ist mit Maria zum Brille reparieren gefahren.“
Immer fährt sie mit anderen weg. Das soll sie nicht! Da steht der Kurze. Ich haue ihm auf den Kopf. Er rührt sich nicht, schaut nur blöd. Ich haue fester. Da geht er.
Ich wohne in einem Wohnheim für Bekloppte. Rosetta sagt, es heißt nicht so, aber wenn Helga, Heinz und ich morgens im Hof auf den blauen Bus warten, schreien die Jungs hinterm Zaun: “Da sind wieder die Bekloppten.” Wir sind 14 Bekloppte, und wir haben immer Besuch. Wenn die einen gehen, kommen die anderen.
Ich warte immer auf Rosetta. Ich darf sie nicht besuchen. Sie ist nicht meine Freundin, sagt sie, sie ist meine Betreuerin. Sie ist mir treu. Ich möchte meinen Kopf an ihre Brust legen, ins Weiche. Ich möchte sie küssen. Ich möchte Rosetta mit ins Bett nehmen. Ich möchte mit ihr Hosen kaufen.